Jein-Sager

Unsere Vorfahren lebten in einer Zeit des Mangels. Um zu überleben, musste man nehmen, was man kriegen konnte. Die Frage, ob Mammut oder Säbelzahntiger auf den Tisch kommt, stellte sich einfach nicht. Heute ist die Sache komplizierter. Kaffee oder Tee? Brot oder Brötchen? Bus oder Bahn? Strandurlaub oder Wandertour? Kind oder Karriere? Täglich treffen wir rund 20.000 Entscheidungen, die meisten davon blitzschnell und unbewusst. Wir haben die Qual der Wahl.

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Neulich durchforstete ich auf der Suche nach einem neuen Staubsauger diverse Online-Vergleichsportale. Und irgendwann musste ich mich entscheiden: Mit oder ohne Beutel? Akku oder Kabel? Das Problem: Jede Wahl für etwas, ist auch eine Entscheidung gegen viele andere, attraktive Möglichkeiten.
Wenn ich beim Italiener Pasta esse, verpasse ich zwangsläufig das All-You-Eat-Sushi beim Japaner nebenan. Wenn ich Urlaub am Karibikstrand buche, kann ich keine Trekkingtour im Harz machen. Stellt sich später heraus, dass die Pasta langweilig schmeckt oder in der Karibik genau zu diesem Zeitpunkt ein Tropensturm wütet, steht man bedröppelt da und denkt: „Hätte ich doch bloß …“

Vor ein paar Jahren stellte eine Marktstudie fest, dass wir Deutschen ein Volk der Jein-Sager sind. Mich persönlich wundert das gar nicht. Schon die Hamburger Hip-Hop-Band „Fettes Brot“ brachte die missliche Lage bereits vor Jahren auf den Punkt und propagierte ein wohlüberlegtes und sehr erfolgreiches „Ja, äh nein, ich mein jein!“

Klar gibt es Menschen, die nicht lange fackeln. Die im Supermarkt zielsicher zum teuersten Käse greifen und ihren Urlaub ratzfatz in der Mittagspause buchen. (Habe ich schon getan.) Die chronischen Zögerer wiederum machen aus dem Käse-Kauf eine Wissenschaft und haben schlaflose Nächte, weil sie nicht wissen, ob es nach Rom oder Rio gehen soll. Sie wägen ab, hadern und schieben Entscheidungen so lange hinaus, bis das Problem von alleine gelöst oder die Chance verpufft ist.

Wieso ist unsere Entscheidungsfreudigkeit wohl so unterschiedlich ausgeprägt? Die Forschung ist sich einig, dass bei einem Entscheidungsprozess viele Faktoren gleichzeitig wirken: Impulsivität, Rosikobereitschaft, Hormone, Gene, eigene Erfahrungen und natürlich spontane Gefühle.

5 Gedanken zu “Jein-Sager

  1. Vieleicht hängt das mit der Unzufriedenheit mancher Menschen zusammen, mit Neid oder Mißgunst. Alles beginnt erst mal bei den fianziellen Mitteln, ich persönlich kann mir nur das kaufen, was ich mir auch leisten kann, Schulden mache ich nicht, um vielleicht mit meinen Nachbarn mithalten zu können. Ich kaufe den Käse den ich bezahlen kann und der mir schmeckt und wenn er mir nicht schmeckt, ist das auch kein Drama, denn beim nächten mal, kaufe ich ihn nicht. Urlaub buche ich da wo ich hin möchte und gefällt es mir dann nicht so gut, dann mache ich das Beste draus und habe gelernt und fahre da nicht mehr hin. Was wäre wenn, oder hätte ich doch lieber… kostet bloß meine Kraft, Nerven und vergeudet Lebenszeit.

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    • Ja, vielleicht ist das so. Höher, schneller, weiter … Zufrieden ist man nie. Bzw. sind es viele Menschen nicht. Leider. Ich kann mir gut vorstellen, dass permanente Unzufriedenheit einen krank machen kann. Solche Menschen müssen doch ständig „unter Strom stehen“. Furchtbar. Und auch irgendwie traurig, denn ich vermute mal, dass diese Menschen gar nicht so sein möchten, das aber nicht abstellen können und in ihrer Unzufriedenheit gefangen sind. 😦

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  2. Ich versuche so zu leben, dass ich nichts bereue oder bereuen muss. In diesem Sinne fälle ich auch meine Entscheidungen. Das klappt meistens gut, natürlich nicht immer (siehe meinen Beitrag mit den Gardinen, wobei ich meinen Fehlkauf nicht wirklich bereut habe, weil ich sie umtauschen konnte und wenn das nicht so gewesen wäre, hätte ich eine andere Verwendung für sie gefunden. Es war ja auch nicht so, dass sie mir überhaupt nicht gefallen haben), aber wie Lesenbiene schreibt, bin auch ich der Meinung, dass man sich mit der Entscheidung arrangieren sollte, das Beste draus macht und die Gegebenheiten annimmt. So erspart man sich jede Menge Unzufriedenheiten.

    Ich glaube, die innere eigene Zufriedenheit spielt bei allem eine große Rolle und ein zufriedener Blick auf das, was uns gegeben ist und nicht der skeptische, unzufriedene Blick auf das, was man nicht hat und evtl. auch nicht bzw. nicht gleichzeitig haben kann.

    Nichts desto trotz kenne ich diese Situation natürlich auch, wo ich mal sage: “Hätte ich doch…“ aber ich messe ihr nicht zu große Bedeutung bei.

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  3. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, daß Entscheidungen oftmals mit Zugeständnissen einhergehen, die wiederum die Rahmenbedingungen bestimmen. Bei dem Staubsaugerbeispiel: eigentlich hätte ich gern einen dritten, den ich mir nicht leisten kann oder will und muß mich damit zwischen zweien entscheiden, die ich eigentlich beide nicht möchte. Und das fällt dann schwer….

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