Urlaub, wenn alle zuhause sind

Um mich selbst mache ich mir eigentlich keine großen Sorgen. Obwohl ich glaube, wenn es jemanden erwischt, dann die Kassierer unseres Landes. Mein letzter Arbeitstag, bevor ich für eine Woche in den Urlaub verschwand, war ein Samstag, und es war ohne jeden Zweifel viel, viel voller als sonst – und das in einem Baumarkt. Ich meine, ich kann noch verstehen, dass jemand denkt, ohne Klopapier und Nudeln sei er aufgeschmissen, aber ohne Klickparkett und senfgelbe Wandfarbe? Und die Sache mit dem „in den Ellenbogen husten“ hatte wirklich niemand drauf. Da wurde gedrängelt und geschubst und es wurde einem ungeniert ins Gesicht gehustet. Meine Kollegin erzählte mir vorhin, dass Montag und Dienstag wohl noch schlimmer waren. Offenbar kamen ganze Familien in den Baumarkt, um sich ein wenig zu beschäftigen (und senfgelbe Wandfarbe zu kaufen) und alle waren ungeniert am Husten und Niesen. Mitten in Gesichter anderer Leute.
Ganz schlimm.

Der Urlaub jetzt war schon anders als die Urlaube in den letzten Jahren. Ich bin ziemlich schlecht im wochenlangen Vorausplanen – tatsächlich bin ich es dank meiner vielen Kinder eher gewohnt, alle Viertelstunde zum Einkaufen zu fahren, weil die, wenn ich gerade Vollkornbrot mit Käse gekauft habe, sich entschieden, nur noch Zwieback mit Nutella und Sauerkraut zu essen. In dieser Woche jetzt habe ich versucht, ein wenig zu planen, aber irgendwie klappte das nicht besonders gut. Irgendwas fehlte doch immer. Montag fehlte alles (war ja Urlaub, also musste ich erstmal für einen Grundstock an Vorräten sorgen). Dienstag fehlte das, was ich am Montag vergessen hatte, zu kaufen (ich vergesse immer irgendwas!). Am Mittwoch war die Schokolade alle (dabei dachte ich, die würde eine Woche lang reichen. Aber wenn die da so rumliegt, dann reicht sie eben doch nicht). Am Donnerstag überkam mich die Angst, dass der beste Freund von allen „jeden Tag Nudeln“ vielleicht doof findet, und ich kaufte schnell frische Bratwurst – mit Mindestabstand natürlich, mit Kartenzahlung und mit schlechtem Gewissen, aber trotzdem irgendwie hungrig, und das trotz aller Nudelvorräte hier im Haus. Am Freitag hatte ich Appetit auf Waffeln. Aber so richtig. Zuhause habe ich immer Mehl (genauso, übrigens, wie Schokolade und Nudeln und Bratwurst!), aber hier im Urlaub? Leider nein. Ich fuhr also los, um Mehl zu kaufen, aber es gab keins. In fünf Geschäften, in welche ich mich beschämt schlich, immer auf Abstand von allen Menschen bedacht, gab es kein Mehl. Und mehr Mehl-Geschäfte gibt es hier auch nicht. Irgendwie hat mich das total frustriert. Von 20 Leuten, die ich kenne, gibt es vielleicht zwei, die gut und gerne backen – oder überhaupt backen. Was um Himmels Willen fängt der Rest mit soviel Mehl an? Wenn man Mehl über schwarze Katzen stäubt, sehen die witzig aus. Wenn man Mehl auf Schnee schippt, rutscht man vielleicht nicht mehr aus. Und wenn man Mehl auf dem Dachboden verteilt, bekommt man anhand der Fußspuren heraus, WELCHES Mistvieh einen die ganze Nacht wach hält. Aber das ist auch schon alles, was mir dazu einfällt. Kein Grund, mir mein Mehl vorzuenthalten (dafür gab es dann noch mehr Schokolade). Ich war, ich muss es zugeben, ob meiner ungewollten Mehllosigkeit kurz vorm Heulen. Ich wette, in zwei Jahren, wenn das Haltbarkeitsdatum all dieser Mehlpackungen abläuft und sie unbenutzt im Müll landen und ich das zufällig sehe, bin ich WIEDER kurz vorm Heulen. Oder vielleicht heule ich ja. Mal gucken.

Ach so, und heute dachte ich dann, ich bleibe jetzt aber wirklich zuhause, ganz ordentlich, treffe niemanden und stecke niemanden an und bin dann gesund und so… aber leider schleppe ich seit Tagen einen sehr schmerzhaften Harnwegsinfekt mit mir herum und hatte plötzlich das Gefühl, ohne eine lindernde Wärmflasche nicht mehr leben zu können. Im Gegensatz zu Mehl gibt es hier Wärmflaschen zu kaufen. Ich hielt brav von allen Menschen Abstand, kaufte meine Wärmflasche (und sicherheitshalber noch ein bisschen Schokolade) und liege seitdem wohl gewärmt einfach nur so herum und genieße meinen letzten Urlaubstag.

Am Montag muss ich wieder zur Arbeit.
Um wen ich mir da wirklich Sorgen mache, sind einige meiner älteren Kolleginnen, die mit dem Aushilfsjob ihre Rente aufbessern – und die viel zu höflich sind, um zu sagen, dass sie lieber doch nicht kämen (weil ja immerhin auch alle alleinerziehenden Mütter und Väter nicht kommen. Und das sind einige!). Allerdings hat mir meine Kollegin vorhin via WhatsApp mitgeteilt, dass wir jetzt alle Handschuhe an den Kassen haben, dass nicht mehr zu viele Menschen gleichzeitig den Laden betreten dürfen, dass die Gartenkasse – Weh und Ach! – geschlossen ist und dass wir jetzt Plexiglasscheiben vor den Kassen haben. Und dass ALLE Waren auf das Laufband müssen. Auch die schweren.

Immerhin.

schwarze Katze (Bild: Reddit und Facebook und Boredpanda und lachschon und so weiter. Wer die schwarze Katze KENNT, die sich da mit Mehl vergnügt und im Internet ausgebreitet hat, kann mir gerne einen Tipp geben!)

31 Gedanken zu “Urlaub, wenn alle zuhause sind

  1. Gerade wollte ich einen Blogeintrag mit den Worten beginnen: „Das mit dem Abstandhalten scheint inzwischen ganz gut zu klappen …“ – jetzt muß der Satz wohl weitergehen mit: „… es sei denn, man befindet sich in einem Baumarkt.“ Ist mir völlig unverständlich, wiesodie Baumärkte so „systemrelvant“ sind, daß sie von den allgemeinen Schließungen ausgenommen sind.

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    • Naja… So ganz ohne Haustüren, Dachziegel, Sicherheitsschlösser und Wasserhähne möchte ich auch nicht leben. Ganz zu schweigen vom Hundefutter (ist bei uns billiger), Fenstern, Durchlauferhitzern, Toiletten… Aber das ist es ja gar nicht, was die Leute kaufen. Die haben Sachen für den Garten gekauft, weil sie in ihrer Quarantäne Langeweile hatten, und sie sind mit den ganzen Familien hingegangen, weil die Kinder Langeweile hatten. Bei uns kann man Fische angucken und Currywurst essen. Fast so schön wie im Zoo oder auf dem Dom (die beide geschlossen sind).
      Sowas ist dann einfach nur verantwortungslos.

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    • Das die Baumärkte aufhaben ist Berechnung. Die Leute haben Zeit und sollen sich beschäftigen. Jetzt können Arbeiten gemacht werden, die man aufgeschoben hat. Wer beschäftigt ist hat keine lange Weile.

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      • Das denke ich auch. Blöd ist nur, dass die Leute zu denken scheinen: „Wenn da auf ist, dann muss es ungefährlich sein“. Die Fähigkeit, selber zu denken, scheint mit dem Virus ein wenig verloren gegangen zu sein. 😦

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  2. Ich war seit … warte mal … 4 Tagen nicht mehr draußen. Lebensmittel lasse ich seit rund 3, oder 4 Jahren liefern. Ich vermisse „draußen“ nicht.

    Halte die Ohren steif und auf dass Du nächste Woche Mehl bekommst. 🙂

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    • Nächste Woche muss ich wieder arbeiten. Da hab ich gar keine Zeit mehr für Waffeln.
      Ich würde lieber hier bleiben. Hier ist es schöner, gerade für die Hunde, die Berge hoch- und runter rennen können (und verbotenerweise im Bett schlafen).

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    • wow
      ich würde durchdrehen
      die tapeten von den wänden reissen
      und oder ähnliche sachen tun
      nicht raus
      wie hälst du das durch
      womit betäubst du dich
      und den natürlichen drang nach draussen
      zu gehen ?
      meine wohnung gefällt mir
      klar ich hab se ja eingerichtet
      aber
      ich krich nen
      lagerkoller
      wenn ich nich aller paar stunden raus komme
      freunde treffen ja gut das kann man einschränken
      aber nich raus
      neee
      geht garnich für mich
      für uns
      gruß ronny

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      • Ich habs halt gern ruhig, weil ich im Job den ganzen Tag redenredenreden und erklärenerklärenerklären muss und der ruhigste Ort für mich ist mein Zuhause. 🙂

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  3. Ach ja. Hier sind permanent die Eier aus. Und das, wo ich so ein Kind im Haus hab, das sich von Eiern ernähren könnte. Aber ohne Mehl könnte ich auch. Ich back so gern! Besser hol ich mir wohl noch ne Packung 😉

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  4. Sind bei euch die baumärkte tatsächlich immer noch offen??? Erstaunlich, wie sich die sonst eher renitenten franzosen -wenigstens in meiner region- an die vorschriften halten.

    Bleib gesund! Virenfreie bisous vom meer

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  5. Na vielleicht sind manche eben aus lauter Langeweile auf die Idee gekommen, wenn man schon in der Bude hocken musst, kann man mit renovieren seine Zeit vertreiben. Wozu man sonst vielleicht nicht kommt. 🤔
    Wir wollten demnächst auch das Zimmer meiner einen Tochter neu tapezieren und streichen. Aber wenn dann alles zu ist, können wir das wohl vorerst vergessen. Und man stelle sich vor, wenn wir im Baumarkt im lauter Rollen Tapete und Farbeimer zudecken, würde manch einer denken, wir sind bekloppt. 😂 Aber sie kann ja nicht ewig in dem kahlen Zimmer hausen? Naja, mal gucken, wenn’s nicht anders geht. Schließlich ist unsere Gesundheit und die der anderen oberste Priorität.
    Bleib gesund und hab ein schönes Wochenende. 👋🏼

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  6. Die Frage nach dem Mehl habe ich mir auch gestellt… Was wollen die Menschen nur mit all dem Mehl???

    Hier in unserem Dorf ist es heute gespenstisch ruhig, aber ich bin gespannt, ob die Hamsterkäufe dann morgen wieder weiter gehen.
    Ich wünsche Dir viel Kraft für deinen Job und bleib gesund !

    Viele Grüße,
    Bärlinerin

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  7. Hier sind die Baumärkte inzwischen geschlossen und ich hab in der Zeit einen Umzug zu stemmen. Bis jetzt haben sie mir noch nicht abgesagt, weder die neuen Vermieter, noch der Autoverleiher. Aber man weiß nicht so richtig, was geht und was nicht.
    Im Norma waren diese Woche Abstandslinien aufgezeichnet – ich hab mich strikt dran gehalten und mich immer erst einen Strich weiter bewegt, wenn die Familie vor mir aufrückte, aber der hinter mir stand grundsätzlich innerhalb der Absperrung! Und das, obwohl ich ihn mehrmals böse angeblitzt habe.

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    • Vor mir stand eine alte Dame, die wild zwischen den Absperrlinien hin und her hopste. Mindestabstand war Fehlanzeige. Ich dachte nur, ey, du dumme Nuss… Wegen DIR machen wir das alles hier. Bei den jüngeren Leuten verläuft es ja dich meistens eher glimpflich. Naja, sie hat dann zehn Packungen Zigaretten gekauft und ich dachte, scheiß auf Lungenkrankheiten…

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      • Und hier in Bayern hat einer eine Schreckschusswaffe auf jemanden gerichtet, der seiner Meinung nach den Abstand nicht eingehalten hat.

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        • Es gibt so Momente, da kann ich das nachvollziehen. Gestern zum Beispiel, als einer an meiner Kasse ohne die Hand vor den Mund zu halten unbedingt UNTER den Plexiglasscheiben durchhusten musste… 😦

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          • Es ist der Wahnsinn. Auf den Straßen war gestern auch schon wieder mehr los als am Montag, als ich die erste Fuhre nach Sachsen gebracht habe.

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  8. Inzwischen sind die Baumärkte hier auch zu – ich hätte ehrlicherweise vermutlich auch noch was für den Balkon gekauft – so als Beschäftigungstherapie. Wobei bei uns Home-Office kein Thema ist – mein Chef steht da nicht drauf (er hat seine Schäflein gerne im Blick) und alle Maßnahmen hält er für Hysterie. Wir werden sehen. Nachdem wir um Büro viel viel Platz haben (das Büro ist echt riesig) seh ich die persönliche Gefahr also überschaubar und mach das derzeit noch mit. Wenn die Fallzahlen ansteigen in unserer Stadt, werde ich das ggf. überdenken. So desinfiziere ich morgens mein Umfeld durch – ich bin eh immer die erste, da kann ich das gut machen.

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    • Das finde ich dich reichlich unmöglich von Deinem Chef. Hysterie ist das sicher nicht, und nur weil er keine Angehörigen hat, die zu einer Risikogruppe gehören, heißt das noch nicht, dass andere damit kein Problem haben. 😦
      Naja, sei weiter vorsichtig.

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  9. Ich bin mal gespannt, wie lange du das noch ertragen musst – also, wie lange die Baumärkte noch geöffnet bleiben. Ich finde es zum einen idiotisch und unverantwortlich, andererseits kann ich es verstehen. Viele werden den zwangsauferlegten Aufenthalt in den eigenen vier Wänden nutzen und vorrichten, heimwerkern, basteln, gärtnern oder was auch immer tun wollen. Die Zeit muss ja mit irgendwas gefüllt werden. Man weiß nicht, wie lange dieser Zustand anhält und wie man nach Tagen oder Wochen damit zurechtkommt.
    Ich wünsche dir Gesundheit und einen Tüte Mehl. 😀
    Liebe Grüße, Berta
    PS: Hier ist alles noch „relativ normal“. Das habe ich aber nicht zu entscheiden.

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    • Ich finde es irgendwie auch nachvollziehbar, dass man bei dem schönen Wetter im Garten arbeiten möchte. Das IST nunmal die Saison. Aber seine Gesundheit auf’s Spiel zu setzen für Stiefmütterchen, das kann ich eben nicht verstehen. Und meine, im Übrigen. Ich hatte gestern zum Auftakt Kunden, die husteten unter der Absperrung durch, und zwei hatten Fieber, konnte man sehen. Ey, Leute, es REICHT!!!
      😥

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      • Da sind wir uns aber 100-prozentig einig, dass es so nicht sein darf. Und du kannst dich nichtmal wirklich schützen, wenn du auf deiner Arbeit bist.
        Hier wird übrigens kein Bargeld mehr genommen, soviel ich weiß. Aber es gibt (jedenfalls, da wo ich unterwegs bin) noch keinerlei Absperrungen, Abstandslinien oder dergleichen. 😦

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        • Wir nehmen leider noch Bargeld an. Und obwohl bei mir gestern die meisten Kunden mit Karte bezahlt haben, hatte ich abends richtig viel Geld in der Kasse. Was immer noch passieren mag – die Baumarktbesitzer können sich nicht über mangelnden Umsatz beschweren. So geschätzt denke ich, dass ich fünf- bis sechsmal soviel Umsatz gemacht habe, wie in den Wochen davor. Und das, obwohl immer nur wenige Leute in den Markt durften.
          Echt unglaublich.

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