Das Schneewunder
Episode 3 von lesenbiene
So schnell wie möglich musste sich Gugi Schröter wieder verwandeln, denn der Käfer war eine leichte Beute für so manches Waldtier. Unter einer dichten Tanne drehte er sich wie ein Brummkreisel um seine eigene Achse, wurde immer schneller, seine grünen Äuglein reflektierten dabei das Licht, und es schien als ob eine grüne Wolke nach oben stieg. Es zischte leise und Tytola breitete ihre Schwingen aus und flog hoch in die Luft. Da es mitten in der Nacht war, suchte sie sich einen Schlafplatz in der Tanne. Die halbe Stunde als Gugi Schröter hatte sich gelohnt, denn nun hatte Tytola bereits ein paar brauchbare Informationen.
Am Morgen flog sie ins Dorf und sah schon von oben, dass dort emsiges Treiben herrschte. Als sie daran dachte, was so alles passiert war in den letzten Monaten, schlug ihr kleines Herz vor Freude schneller. Sie sah Finn und die anderen Kinder aus dem Dorf im Schnee toben. Einige hatten einen Schneemann gebaut, und eine rote Möhre leuchtete in seinem Schneegesicht. Sogar Wopsi war zu sehen. Er tollte mit ein paar Dorfhunden im Schnee und sein Blick ging häufig zu Finn. Die zwei waren mittlerweile die besten Freunde. Nun stand Weihnachten vor der Tür und bald war Silvester. Und was noch viel schöner und wichtiger war: Es sollte eine Hochzeit geben. Auch Heinrich, den das Schicksal einst arg gebeutelt hatte, stand nun wieder auf der Sonnenseite des Lebens, denn die Liebe war zu ihm zurück gekommen. Er hatte Emilia, eine Witwe mit zwei Kindern, kennen und lieben gelernt. Michel war dreizehn und die kleine Lisa acht Jahre alt.
Anfangs hatte er der Witwe bei kleinen Reparaturen am Haus geholfen und als Dank für seine Arbeit hatte sie ihn mehrmals zu den Mahlzeiten eingeladen. Dabei hatte Heinrich auch ihre Kinder kennengelernt. Aus Nachbarschaftshilfe wurde Freundschaft und aus dieser Freundschaft schließlich Liebe.
Besonders für Michel war es anfangs nicht einfach. Er fühlte sich schon fast wie der Mann im Hause, doch er sah, wie seine Mutter aufblühte und wie sie Heinrich liebte.
Heinrich würde den Kindern wohl nie den Vater ersetzen können, doch sie sahen und spürten, wie sehr er auch sie mochte und sich um ihr Wohlergehen bemühte. Nun hatten sie beschlossen, eine Familie zu werden. Am Silvestertag sollte die Hochzeit gefeiert werden. Was gab es für einen schöneren Tag als diesen, wenn sogar vereinzelt ein paar Raketen den Himmel über der Hochzeitsgesellschaft erleuchten würden.
Das halbe Dorf war bereits mit Vorbereitungen für die Weihnachtsbäckerei beschäftigt. Die Dorfbewohner trugen schon emsig Stollen und Lebkuchenteig zum Dorfbackhaus. So ein richtiger Stollen entfaltete erst nach ein paar Wochen sein volles Aroma, und so zogen schon jetzt herrliche Düfte durchs Dorf. Aber nicht nur Weihnachten stand vor der Tür. Es wurden auch schon eifrig Pläne für die anstehende Hochzeit geschmiedet, denn so ein Fest war mit vielen Vorbereitungen verbunden. Alles hätte so schön sein können, wenn es nicht immer zu Ungereimtheiten gekommen wäre. Mal war dieses verschwunden, mal jenes. Manches tauchte an anderer Stelle wieder auf. Am Vortag hatte sogar ein kleiner Holzstapel Feuer gefangen. Das ganze Dorf war in heller Aufregung, doch der Brand konnte schnell gelöscht werden.
Josef und Heinrich hatten einen Verdacht, den sie schon mit Tytola besprochen hatten. Keiner von ihnen wusste recht, was er von Odio Nix halten sollte. Beide glaubten, dass er dem Dorf nicht wohl gesonnen sei und vermuteten Spuk und Zauberei. Es war ein Glücksfall, dass es nun schon den ganzen Tag schneite, denn so konnten sie seine winzigen Fußspuren im Schnee entdecken. Es war das einzige, was von ihm zu sehen war, denn seine geliebte Tarnkappe machte ihn unsichtbar.
Tytola landete auf dem Dachfirst des Hauses von Heinrich. Vor dem Haus waren alle beschäftigt. Mit einem lauten „Uhuuu“ machte sie sich bemerkbar. Heinrich und Josef waren dabei, dem Haus, dass zukünftig die neue Familie beherbergen sollte, den letzten Schliff zu geben. Sogar Rofibald-Geruwim saß auf einem Baumstamm und schaute dem Treiben zu. Er hatte Josef und Heinrich den Weg in ein neues Leben mit ermöglicht. Mittlerweile hatte er die beiden in sein Herz geschlossen und freute sich nun für Heinrich.
„Was hast du gesehen?“, riefen Heinrich und Josef fast gleichzeitig zum Dachfirst hinauf, denn Unruhe über die Vorkommnisse verbreitete sich im Dorf. Es sollte doch aber kein Schatten über der Hochzeit liegen.
„Ich bin seinen Spuren gefolgt.“. Aufgeregt erzählte Tytola vom Trollmagier Querbur und den Satzfetzen, die sie in der Baumhöhle aufgeschnappt hatte. Erstaunt schauten sich Josef und Heinrich an. Es musste ja eine Bewandtnis haben und wichtig für Odio Nix sein, wenn er so dringend nach dem Rabitum und dem Auffänger fragte und Querbur auch noch um Hilfe beim Verwandeln bat. Irgendwie war ihnen das Ganze nach wie vor ein Rätsel. Eifrig überlegten sie, was sie tun konnten, damit Weihnachten und die Hochzeit in ihrem Dorf friedlich und ungestört gefeiert werden konnten.
Audioversion, gesprochen von Sigurd
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