Puh, gerade noch rechtzeitig. Hierzu habe ich tatsächlich etwas zu schreiben. Und nehme mir jetzt einfach die Zeit.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Umstände, denn die Freundin war in Umständen und ich brauchte ein Ventil, um meine Gedanken und Gefühle kundzutun. Mit meinem Umfeld im Privaten (also zum Beispiel der Ehefrau, liebevoll in Ehetrine umbenannt) konnte ich über den Umstand schlecht in herzlicher Atmosphäre sprechen, die Menschen in der Arbeitswelt ging das nichts an und so suchte ich mir eine Möglichkeit, mein damaliges, naives und trotzdem euphorisches Hochgefühl in die Welt zu posaunen. Es war Januar 2008, ich googelte nach „blog“ und fand blog.de.
Ich suchte einen Wolf als Profilbild, habe den unter Missachtung aller Copyright Regelungen verwendet, nannte mich chris08, Chris, weil mein richtiger Vorname nur durch eine Konsonantenverschiebung im Skandinavischen aus Christian entstanden ist (witziger weise gibt es total viele Menschen, die Karsten Christian heißen, was im Arabischen soviel wie Mohamed Muhamad heißt), 08, weil 08 mein Jahr werden sollte, wie auch immer, was es dann natürlich auch nicht wurde. Dann noch einen sprechenden, einfachen blog Namen ausdenken (Zyniker) und los ging´s.
Mein erster Eintrag hatte mehr Leser als ich hier auf wordpress jemals hatte. Ich hatte ja was zu erzählen. Ich bekam sofort positive Rückmeldung, die Leser wollten meine „Freunde“ sein (so hieß folgen auf blog.de) und manche besorgten sich einen Vorrat Popcorn. Leider ist dann alles etwas Unspektakulärer zu Ende gegangen, als geplant.
Trotzdem blieb ich beim Bloggen, bloggte über Politik, Klima, Unsinn, schrieb Gedichte (kurz und schlecht) und hatte die legendäre Serie „freckles of the day“. Sex sells. Fünf Jahre lang schrieb ich im Schnitt zehn Einträge die Woche, mal lange, mal ganz kurze, hatte immer dreistellige Leserzahlen, stand mit meinem blog bei google auf Platz drei (hinter wikipedia und einer Seite, dessen Domäne auch nur aus „Zyniker“ bestand). Man war jeden Tag mit blog.de beschäftigt, las unzählige blogs, musste Kommentare beantworten, durfte Kommentare schreiben, PNs lesen und bei Bedarf beantworten, die schlimmsten Arten von Stalking überstehen, Stiefelbilder anschauen, in die Abgründe und in die Langeweile so vieler Menschen schauen, denn man war halt Teil einer Familie, denen man ja Entsprechendes auch zurückgab: Abgründe, Langeweile, Unverständnis, Überheblichkeit, Zynisches, Freundliches und Gemeines. Gerne zurückgab. Das Bloggen nahm einen Großteil meines Privatlebens ein. Ich lernte wundervolle Menschen kennen, abscheuliche Arschlöcher;
und außerordentlich liebenswerte Menschinnen.
Das tat ich dann auch, also lieben. Bis heute.
Gut, es war ja lange bekannt, dass blog.de zumacht, aber ich habe das wie so eine hippe CDU einfach ignoriert und gedacht, neue Entwicklungen sind ungerecht, aber ich kriege das schon irgendwie hin. Siehe da, ich hab´s nicht hingekriegt, mein letzter Blogeintrag ist von April. Aus gutem Grund. Und nein, ich habe keinen Instaccount und für youtube bin ich echt nicht blauhaarig genug. Ich habe weniger zu erzählen, die Art, wie ich erzähle kommt immer weniger an, niemand interessiert sich für Zusammenhänge mehr, die Kultur ist einfach eine andere. Sind blogs tot? Mehr oder weniger, wahrscheinlich ja, leider. Aber ich hoffe, Ihr arbetet daran, dass es nicht so kommt. Ich bin dafür zu müde.
So long Chris